Vor 50 Jahren öffnete die Fachklinik Spielwigge ihre Pforten – als „Heilstätte für alkoholkranke Männer“.
„Das Haus war die erste offene Heilstätte für Alkoholkranke und bot eine stationäre Behandlung auf freiwilliger Basis als Alternative zur geschlossenen Abteilung in Landeskrankenhäusern“, erklärt Annett Hagen, therapeutische Leiterin der Einrichtung.
Die Basis für den Behandlungserfolg von suchtkranken Menschen sei der eigene
Wille und der aufrichtige Wunsch des Patient, sich von der Abhängigkeit zu befreien, um wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Im Vordergrund der Therapie stehe immer der persönliche Leidensweg der Betroffenen. „Und auch die Angehörigen und das Umfeld haben wir mit im Blick. Schließlich leiden auch sie unter der Erkrankung des Partners, der Eltern, der Kinder. Für sie ist die Therapiezeit eine Möglichkeit, Abstand und Besinnung zu finden.“
Bei der Gründung im Jahr 1965 befand sich das Haus Spielwigge in der Trägerschaft des Evangelischen Perthes Werkes. Seit Juli 2009 hat die Wessel Gruppe mit Sitz in Gelsenkirchen die Trägerschaft der Einrichtung übernommen.
Zuerst wurden – wie die Bezeichnung „Heilstätte für alkoholkranke Männer“ zeigt – keine Frauen therapiert und behandelt.
Das änderte sich im Dezember 2010: seit diesem Zeitpunkt finden auch Frauen Hilfe im Haus Spielwigge. Und auch die weitere Zukunft hält Veränderungen bereit:
Die Therapie von Patienten, die von illegalen Drogen abhängig sind, wird in das Programm der Einrichtung aufgenommen.
Ein Blick zurück zeigt, wie sich die medizinische Betreuung und Psychotherapie in der Behandlung von Suchterkrankungen verändert hat. Moderne Methoden, neue Ausbildungswege und frische Impulse haben das Wirkungsfeld der Therapeuten ständig verbessert und erweitert. Diese Veränderungen sind deutlich zu erkennen. Der frühere Werkbereich wurde zu einem Fitnessraum umgestaltet.
Bewegung, die körperliche Betätigung, sei wichtig für suchtkranke Menschen, betont Annett Hagen. Das Gefühl für den eigenen Körper wiederzufinden sowie
die eigene Leistungsfähigkeit schrittweise zu steigern, seien wichtige Maßnahmen, um Suchterkrankungen erfolgreich zu behandeln. Aus diesem Grund beschäftigt die Fachklinik Spielwigge auch einen Sport- und Physiotherapeuten.
Er ist zuständig für das Ausdauertraining – und er begleitet seit einem Jahr auch die Saunagänge der Patienten. Eine große Bereicherung sei auch die Anschaffung eines Hydrojets im Bereich der Physikalischen Therapie gewesen. „Das ist eine Art Wasserbettliege, die die klassische Massage und die Wärmebehandlung kombiniert“, erklärt Annett Hagen.
Ein Beachvolleyballfeld zeigt, wie wichtig der Sport für die Patienten ist. „An der frischen Luft sind wir auch, wenn wir im Kräuter- und Beerengarten arbeiten. Und als nächstes Projekt steht die Anlage eines Barfußweges an“, verrät die therapeutische Leiterin.
Auch das Thema Achtsamkeit ist bedacht: Vor kurzem nahm ein Tai-Chi-Lehrer seine Arbeit im Haus Spielwigge auf. Neben den Sport- und Bewegungsangeboten habe aber auch der Kreativbereich eine große Bedeutung. „Seit zwei Jahren beschäftigen wir eine Künstlerin, die sich die Wiederentdeckung der Kreativität unserer Patienten zur Aufgabe gemacht hat. An mehreren Stellen im Haus ist zu sehen, dass ihre Arbeit Früchte trägt“, sagt Annett Hagen und erzählt von der Landschaftsmalerei im Gang zum Speisesaal und der Variation von Monets „Seerosenteich“.
Neben allen Veränderungen, die das Haus Spielwigge hinter und noch vor sich hat: Beständigkeit sei immens wichtig, betont Annett Hagen.
„Sie ist es, die wir unseren Patienten bieten möchten und unbedingt bieten müssen. Das ist wichtig – und ein existenzielles Grundbedürfnis eines jeden Menschen.“
Lebens- und Beziehungsbruchstellen, also die Abwesenheit von Beständigkeit und Sicherheit, seien im Alltag der ideale Nährboden für Suchterkrankungen. „Das können wir von unseren Patienten immer wieder hören.“